• Kurzer Abriss der serbokroatischen Sprachgeschichte:
    Die heutigen Versionen der bosnischen, kroatischen, montenegrinischen und serbischen Hochsprachen sind untereinander in so hohem Maße verwandt, dass man sie als verschiedene Ausprägungen einer Sprache ansehen kann. Diese wurde früher das "Serbokroatische" genannt. Die Unterschiede treten bei weitgehend übereinstimmenden grammatischen Strukturen vor allem in einigen Abweichungen des Wortschatzes und in der unterschiedlichen Aussprache des alten Vokals /ě/ zu Tage. Dennoch ist es so, dass sich Vertreter aller vier Richtungen ohne Schwierigkeiten untereinander verständigen können. Viele der Unterschiede sind dadurch bedingt, dass die Sprecher unterschiedlichen religiösen Richtungen angehören (Katholiken, Orthodoxe und Muslime).
       Seit dem 11. Jahrhundert sind im jugoslawischen Raum Handschriften in glagolitischer (d.i. in einer eigenen slawischen Schrift der ältesten Zeit), kyrillischer und lateinischer Schrift überliefert, wobei sich später die Kroaten als Katholiken überwiegend der lateinischen (und in einigen entlegenen Pfarreien sogar bis ins 19. Jh. noch der glagolitischen) Schrift, die Serben und Montenegriner als Orthodoxe hingegen der kyrillischen Schrift bedienten. Im muslimischen Bosnien wurden alle Schriftarten verwendet, in der Zeit der osmanischen Herrschaft (und auch noch später bis zum 2. Weltkrieg) interessanterweise auch die arabische Schrift zur Aufzeichnung dieser slawischen Sprache.
       Der entscheidende Schritt zur Vereinheitlichung der verschiedenen bosnischen, kroatischen, montenegrinischen und serbischen Dialekte wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts von dem herzegowinischen Serben Vuk Stefanović Karadžić  vollzogen, der mit seiner Schriftreform nach dem (übrigens auf den Germanisten Johann Christoph Adelung (1732-1806) zurückgehenden) phonetischen Prinzip ("Пиши као што говориш!/Piši kao što govoriš! - Schreibe wie du sprichst!") für das Serbische und Montenegrinische bahnbrechend wirkte und u.a. den Kroaten Ljudevit Gaj dazu brachte, sein System auch für das Kroatische in einer der lateinischen Schrift angepassten Form zu übernehmen. In Bosnien wurde dieses System spätestens durch die österreichische Verwaltung endgültig etabliert. Damit waren diese vier Völker schriftsprachlich weitgehend vereint, was etwa einhundert Jahre gut funktionierte, bis in der heutigen Zeit wieder mehr die Unterschiede betont werden. Eine gemeinsame Identifikationsfigur für diese mittlerweile vergangene jugoslawische Einheit ist für viele noch der aus einer katholischen Familie in Bosnien stammende und zuletzt lange Jahre in Belgrad lebende Autor und Nobelpreisträger Ivo Andrić.